Das Fernsehen ist schon weitgehend digitalisiert, aber der Rundfunk arbeitet in weiten Bereichen noch wie
vor 80 Jahren: Mit einem Volksempfänger könnte man auch heute noch eine ganze Reihe von Programmen empfangen.
Der UKW-Rundfunk ist mittlerweile auch schon 50 Jahre alt. Warum tut sich hier im Zeitalter von MP3 so wenig?
Ein wesentlicher Grund dafür ist das hiesige UKW-Sendernetz, das vielen sicher gut genug ist. Mit
RDS (Radio Data System) wurde hier ein digitaler Hilfskanal nachgerüstet, der Senderkenung, Uhrzeit und einiges
mehr überträgt. Der andere Grund ist das Systemdurcheinander, das mittlerweile herrscht. Und schließlich fehlt
hier zulande ein breites Angebot digitaler Empfänger.
Für die regionale Versorgung: DAB, DVB-T und andere
Schon seit wenigstens 10 Jahren Jahren gibt es das DAB-System (Digital Audio Broadcast). In
Großbritanien hat DAB mittlerweile den breiten Markt erreicht, während das System bei uns schon als der
Transrapid des Rundfunks bezeichnet wurde.
Ein wesentliches Problem dabei war die Frequenzwahl: DAB benutzte ausschließlich den obersten Fernsehkanal des
VHF-Bereichs (224-230 MHz). Der Bereich oberhalb vom 230 MHz wird militärisch genutzt. Anders
ausgedrückt: Unmittelbar neben einem Rundfunkbereich mit gewöhnlich extrem hohen Senderleistungen liegt ein sehr
sensibler Bereich mit sehr viel schwächeren Signalen. Das führte zu einer Beschränkung der Sendeleistungen
für DAB und damit häufig zu einem schlechteren Empfang als bei UKW.
Die nächste Chance wurde mit DVB-T vergeben. Dieses digitale, terrestrische, Rundfunksystem könnte ganz
nebenbei auch eine Vielzahl von Rundfunkprogrammen übertragen. Die Infrastruktur wird aber ausschließlich für
Fernsehen benutzt, wohl um den offiziellen Todesstoß für DAB zu vermeiden. Die Rundfunkanstalten argumentieren hier
technisch: Die große Bandbreite eines DVB-T-Signals sei für einen Hörfunkempfänger zu viel und mit DAB+ gebe es
mittlerweile eine geeignetere Möglichkeit.
DVB-T sorgte aber dafür, dass die Fernsehsender den VHF-III-Bereich geräumt haben. DVB-T findet nur noch im
UHF-Bereich statt. So kann DAB+ jetzt auch die niedrigeren Kanäle um und unter 200 MHz nutzen und mit
vernünftigen Sendeleistungen arbeiten. Mittlerweile ist es auch leichter, an DAB+-Empfänger zu kommen.
Selbst Saturn, die sich nach der DAB+-Einführung sehr zurückhielten, bieten mittlerweile eine größere
Auswahl an geeigneten Empfängern.
Für weiträumige Versorgung: DRM (Digital Radio Mondiale)
Um das Jahr 2010 herum konnte man auf den AM-Rundfunkbändern immer wieder starke Rauschsignale hören.
Das waren DRM-Übertragungen, die auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle eine wesentlich bessere Empfangsqualität
boten. Mittlerweile ging über DRM aber die Zeit hinweg: Abgesehen von Propagandasendern wie Radio Moskau oder
Radio Peking gibt es kaum noch Kurzwellensendungen mit Zielgebiet Mitteleuropa. Die Zahl der deutschsprachigen
Sender auf Mittelwelle wird immer übersichtlicher
und ab 2016 verstummt Deutschland auf der Mittelwelle wohl fast völlig.
Man kann sich streiten, ob DRM stirbt, weil es keine vernünftigen Empfänger gab, oder es wegen des geringen
Programmangebots keinen ausreichenden Anreiz gab, Empfänger auf den Markt zu bringen. Ich forderte einen
Taschenempfänger wie meinen alten Sony ICF7600D mit DRM, vergleichbaren Empfgangseigenschaften und mindestens 10 h
Batterielaufzeit. Ich hatte weder Lust, einen Kofferempfänger mit Henkel rumzuschleppen, noch einen Computer zum
Decodieren des DRM-Signals zu nutzen: Eine UMTS-Flatrate habe ich sowieso, also empfange ich einfach
Internet-Radio. Aber vielleicht bekommt DRM noch eine Chance in weiträumigen Entwicklungsländern wie Indien ohne
leistungsfähige Infrastruktur.
Literatur
- Einfach Radio: DRM
- Eine umfangreichere Website, auch zum Thema DRM
- Hansen, Sven: Radio Futur. Der Kampf um die UKW-Nachfolge
- In: c't 10/13, S. 110ff
- Hansen, sven: Digitalradio jetzt! Hörfunk per Internet, DAB+ und DVB
- In: c't 10/13, S. 114ff
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