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Notfunk für Funkamateure (3): Winlink-Einsatz im Welfare-Traffic


Winlink ist ein weltweit nutzbares System auf mehreren 100 Kurzwellen-Feststationen und zentraler Internet-Infrastruktur. Sinn der Übung ist, mit Amateurfunk-Infrastruktur von überall aus Emails senden und empfangen zu können. Dieser Text beschäftigt sich mit der Frage, wie man das Winlink-System für Welfare-Traffic einsetzen kann.

Bei einem großflächigen Stromausfall funktioniert keine elektronische Kommunikation mehr – ausgenommen Radio, wenn man ein netzunabhängiges Radio hat. Festnetztelefonie ist sofort weg, weil der WLAN-Router an Telefonleitung oder Fernsehkabel keinen Strom mehr hat. Soweit die Mobilfunk-Feststaionen überhaupt Notstromversorgungen haben, sind die Batterien spätestens nach ein paar Stunden leer. Dann beginnt die quälende Unsicherheit: Wie geht es meiner Familie und meinen Freunden? Wie erreiche ich den Onkel Gustav, auf den wir uns in der Familie als zentrale Anlaufstelle geeinigt haben?

Wenn in Not- und Katastrophenfällen das Verbot für den Drittenverkehr fällt, ist Winlink ein wichtiges Hilfsmittel: Ein Funkamateur mit passender, netzunabhängiger Funkstation kann die lokale Blase mit dem Internet verbinden und immer noch Emails verschicken und empfangen. Außer einem automatischen Radio Message Server (RMS) braucht er dafür keine weitere Infrastruktur. Von Süddeutschland aus benutze ich meist OE5XIR, HB9AK, F5ZFX oder R2DWL. Einzelne Verbindungen hatte ich schon über norwegische RMS. Alle diese Verbindungen mache ich mit 10 W PEP auf 80m oder 40m mit einer Windom, die elektrisch vielleicht 3 m über Grund ist.

Die benötigte Stationsausrüstung

Wer auf 80m bis 30m digitale Betriebsarten wie FT8 benutzt, hat bereits die vollständige Hardware. Am besten nutzt man einen Windows-Rechner, der aber nicht sonderlich leistungsfähig sein muss. Für dieses Betriebssystem gibt es die besten Programme: Winlink Express und VARA. Weitergehende Informationen findet man auf der Website und dem Youtube-Kanal von OH8STN. Grundsätzlich kann man auch Linux nutzen, z.B. auf einem Raspberry Pi. Dann muss man entweder ein hochwertiges Kurzwellenmodem (Pactor) nutzen oder mit dem vergleichsweise leistungsschwachen Software-Modem ARDOP auskommen. Wer diesen Weg gehen möchte, findet ausführliche Informationen bei KM4ACK auf Youtube oder in seiner Website.

Abgesehen von VARA ist alle erwähnte Software kostenlos. Ein registriertes VARA-Modem hat nach meiner Erfahrung eine ganz ähnliche Leistung wie ein Pachtor-3-Modem, kostet aber weniger als ein Zehntel. Meine VARA-Verbindungen sind in der Tendenz sogar kürzer. Ohne Registrierung kann man nur die langsameren Übertragungsmodi von VARA nutzen.

Bei Winlink muss man sich zunächst registrieren. Das geht am einfachsten über Winlink Express und eine Internet-Verbindung. Das Passwort kann man sich dabei selber aussuchen. Über die Website ist ausdrücklich keine Anmeldung möglich.

Betriebstechnik

Die RMS arbeiten in den Allmode-Bereichen der Bandpläne. Dort gibt es speizielle Teilbereiche für automatische Stationen. Das interessiert aber nicht groß: Die Client-Programme wie Winlink Express laden sich aus dem Internet die große RMS-Liste herunter, aus der man sich dann geeignete Gegenstationen aussucht. Die meisten der Clientprogramme versuchen, die gut erreichbaren Gegenstationen oben in der Liste anzubieten. Das muss nicht stimmen, wenn man beispielsweise keine vernünftige Antenne für 80m hat. Dabei sind erst mal die zwei QRG-Angaben verwirrend: Die niedrigere Frequenz ist die VFO-Frequenz und die um 1,5 kHz höhere die Mittenfrequenz des Signals.

Im Ernstfall kann es passieren, dass die RMS stark ausgelastet sind. Schließlich hat das gesamte System für Europa nur einen kleinen Bruchteil der Bandbreite eines einzelnen ADSL-Anschlusses. Dann kann man über Punkt-zu-Punkt-Verbindungen nachdenken: Man sucht sich in den zugelassenen Bandsegmenten eine möglichst freie Frequenz und lässt seine Station dort hören. Die Frage ist natürlich, wie einen da jemand findet. Antwort: über APRS

Die Clientprogramme für Winlink bieten den Versand von Positionsmeldungen an, wie man sie sonst auf 144,800 MHz verschickt. So einer Positionsmeldung kann man 140 Zeichen Text mitgeben, der etwa so aussehen könnte: Winlink P2P VARA 3,620 MHz VFO 21-22/06-07 UT, 7,059 MHz 10-11/14-15 UT – die Station ist also zwei Stunden pro Tag auf 80m und 2 Stunden auf 40m QRV. Eine nähere Ortsangabe und Call erübrigen sich, denn die Meldung erscheint in der Karte von APRS.FI und anderen Servern.

Die soziale Schnittstelle

Hier geht es um etwas für den Amateurfunk völlig untypisches: Drittenverkehr. Anders ausgedrückt: Im Notfall muss ich dafür sorgen, dass auch jemand von meinem Angebot weiß. Andererseits möchte ich vermeiden, dass jeder in der Gemeinde von meinen Vorbereitungen weiß. Sonst habe ich im Ernstfall ständig 100 Freunde vor dem Haus stehen, die Freundschaftsdienste wie Wasser und Nahrungsmittel nachdrücklich einfordern. Sorry: Wir versuchen, die Nachbarn zur Vorbereitung auf schlechte Zeiten zu überreden. Aber ich kann nicht die halbe Gemeinde über Wochen durchfüttern. Dazu müssten wir die Gemeinde überreden und dafür hat sie kein Geld.

Meine Idee, die sich in Corona-Zeiten erst mal schwer umsetzen lässt: Ich will die lokalen Vereine ansprechen. Die 12.000 Einwohner von Oberschleißheim sind in 18 Vereinen organisiert.

  • Als erstes will ich den einen oder anderen Vorstand davon überzeugen, dass er sich überhaupt mal mit Katastrophenvorbereitung beschäftigt.
  • Dann soll jeder Verein 1-2 Vertrauenspersonen finden, die möglichst weit weg wohnen. Beispiel: Der frühere 2. Vorsitzende ist nach Kanada ausgewandert. Der wird dann zum Katastrophen-Ansprechpartner des Vereins ernannt.
  • Die Mitglieder bekommen die Kontaktdaten des Katastrophen-Ansprechpartners, vor allem Telefonnummer und Email-Adresse.
  • Dem Katastrophen-Ansprechpartner könnte man beispielsweise Schreibrechte auf der Vereins-Website einrichten, was die Mitglieder natürlich wissen sollten. Das funktioniert natürlich nur, wenn der Webserver nicht vom Stromausfall betroffen ist.
  • Wenn in Oberbayern oder darüber hinaus über Tage hinweg die Lichter ausgehen, übernehme ich die Verbindung zum Katastrophenbeauftragten des Vereins.
  • Sofern ich genügend Strom habe und Bandbreite ergattern kann, kann ich auch Nachrichten von einzelnen Vereinsmitgliedern verschicken. Antworten liefere ich ggf. bei meinem Ansprechpartner im Verein ab – soll der sich um die Weiterleitung kümmern.

Diese Gedanken könnte man noch weiter ausspinnen. aber alles zu seiner Zeit.

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Alexander von Obert * http://www.dl4no.de/thema/notfunk0.htm
Letzte Änderung: 27.11.21 (Erstfassung)


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