Mittlerweile habe ich schon viele Konzepte für den Notfunk gesehen. Häufig sind das bestenfalls Themensammlungen dafür.
Kaum zwei davon sind auch nur annähernd ähnlich.
Meiner Meinung nach liegt das daran, dass praktisch alle irgendwo im luftleeren Raum anfangen.
Dabei sehe ich eine klare Basis, die sich von Land zu Land nur geringfügig unterscheidet.
Kaum jemand macht Notfunk, wenn er seine Familie nicht sicher und versorgt weiß.
Die Basis jedes Notfunkkonzeptes muss deshalb sein, Funkamateure und ihre Familien zu Vorratshaltung und anderen
Maßnahmen des Katastrophenschutzes anzuhalten. Deshalb habe ich zunächst das Kapitel
Katastrophenvorsorge dieser Website geschrieben.
Ein wichtiger Grundsatz des Katastrophenschutzes ist, im Ernstfall nicht wild wegzurennen,
sondern nach Möglichkeit in der gewohnten Umgebung mit ihrer Infrastruktur zu bleiben.
Natürlich muss man aus einem Überschwemmungsgebiet weg oder vor einem Waldbrand fliehen.
Aber sonst ist man daheim am besten aufgehoben.
Das gilt vor allem, wenn man keine 30 mehr ist oder Familie hat.
Der BOS-Bereich will von uns kaum noch etwas wissen.
Wer unbedingt bei Katastrophen vorne mit dabei sein will, soll Mitglied des THW werden.
Nur dann darf er im Ernstfall auch bei einem THW-Zug teilnehmen.
Ob er dann mit THW-Infrastruktur Funk macht, ist ein ganz anderes Thema.
Eine Freiwilligen-Organisation wie das THW ist auf die Fachkenntnisse und die Begeisterung der Aktiven angewiesen.
Der BOS-Bereich ist hoch professionalisiert. Wenn der Amateurfunk da mitspielen will, muss er auch hoch profesionell arbeiten.
dafür haben wir noch nicht mal das nötige Personal: Jede Position muss immer von zwei Personen besetzt sein,
die in drei Schichten arbeiten und nach wenigen Tagen abgelöst werden müssen.
Gehen wir von 10 Funkstellen aus, sind das 2 x 3 x 10 Personen, also 60 Personen, die alle 3-4 Tage abgelöst werden müssen.
Führungspersonal ist da noch nicht mal dabei.
Der DARC hat dafür einen eigenen Notfunkrechner.
Dieses Personal muss ggf. kurzfristig zur Verfügung stehen, ohne dass die Einzelnen, wie THW-Mitglieder,
von ihren Arbeitgebern freigestellt werden müssten.
Die BOS-Dienste kommen erst dann auf uns zu, wenn ihre eigene Kommunikationsinfrastruktur zusammengebrochen ist.
Das passiert aber viel schneller, als vielen Verantwortlichen bewusst ist:
Die Mehrheit der TETRA-Feststationen hat kein Notstromaggregat.
Dann sind wir beim nächsten Punkt:
Wir sind viele und wir sind schon da.
Ausgangspunkt muss sein, die Funkamateure da abzuholen, wo sie gerade sind.
Das ist meist die gewohnte Infrastruktur. Dazu gehört auch die Funkstation.
Was ist aber der kleinste gemeinsame Nenner der meisten Funkamateure? Ein FM-Handfunkgerät!
Die unterste Ebene des Notfunks muss deshalb auf dieser Technik aufbauen.
In anderen Ländern kann der kleinste gemeinsame Nenner anders aussehen,
z.B. SSB auf 80m.
Für uns bedeutet das:
- Möglichst viele Funkamateure müssen motiviert werden,
eine Handfunke samt zusätzlicher Akkus griff- und funktionsbereit zu halten.
- Es muss ein relativ dichtes Netz an Relaisstationen mit Notstromverorgung aufgebaut werden.
Das geht bedeutend einfacher, als sich das die meisten Relaisbetreiber vorstellen:
Schaltet die übliche Relaiselektronik ab, die dämmert sowieso wenigsten 23 Stunden am Tag vor sich hin.
Schaltet die Relaisantenne auf eine Handfunke, die zusammen mit einem Kleinstrechner
(Arduino, Raspi Zero...) allein noch Strom bekommt. Wenn jemand das Relais hochtasten will,
bekommt er über die Handfunke eine Statusmeldung (z.B. mit Angabe des CTCSS-Tons!).
Parallel fährt der Kleinstrechner die normale Relaiselektronik hoch und schaltet die Antenne um.
Handfunke und Kleinstrechner können weitere wichtige Aufgaben übernehmen,
beispielsweise im Ernstfall auf die nächste Notfunkrunde oder spezielle Gefahren hinweisen.
- Möglichst viele Funkamateure müssen motiviert werden, passende Betriebstechnik einzuüben.
Was wir realistisch anbieten können ist nur das, was möglichst viele von uns haben und kennen.
Nur eine Minderheit der Stationen wird wesentlich mehr bieten können.
Möglichst alles auf den höheren Ebenen muss dann digitalisert werden,
denn die Zahl der Stationen und vor allem die Menge des geeigneten Personals ist sehr begrenzt.
Ob man dann Winlink, VarAC, JS8 oder sonst etwas nutzt, wird sich erst im Ernstfall zeigen.
Die technische Basis ist aber fast immer die gleiche, weshalb ich den Artikel
Drei Jahre "Notfunk ready" schrieb:
- Eine Notstromversorgung, die möglichst lange durchhält und das notfalls rund um die Uhr.
- Ein Computer mit fertig installierten Programmen wie Winlink Express, JS8Call, VarAC, FLDIGI usw.,
samt Audio- und CAT-Interface.
- Mindestens zwei OMs, die das alles auch bedienen können.
Wer es noch nicht erkannt hat: Wir werden wohl vorzugsweise Welfare-Traffic machen.
Dafür sehe ich aber fast nirgendwo organisatorische Vorbereitungen.
Welfare-Traffic ohne Einbindung in die lokalen/politischen Strukturen ist gefährlich.
Halten wir erst mal fest:
- Welfare-Traffic wird erst nach einiger Zeit ein Thema.
Ob das 12 Stunden oder 3 Tage sind, wird sich im Einzelfall zeigen.
- Wenn niemand um unsere Möglichkeiten weiß, wird sie auch keiner nutzen.
Ein Schild an die Haustür hängen reicht nicht und ist sogar gefährlich (siehe unten).
- Wenn man in einer Umgebung ohne ausreichende Katastrophenvorsorge lebt,
werden die Menschen sehr schnell hilflos, verzweifelt, panisch, aggressiv.
Beispiel: Braver Familienvater, dessen Kinder seit zwei Tagen nichts mehr zu trinken bekamen.
Welfare-Traffic sollten wir nur in Abstimmung mit der Gemeinde o.ä. machen.
Wir müssen die Bedingung stellen,
dass entweder die Gemeinde zu übertragende Nachrichten entgegennimmt und an uns weiterleitet,
oder die Gemeinde ein Minimum an Resilienz (Notbrunnen...) sicherstellt.
Ansonsten wäre es für uns gefährlich, uns vonwegen Welfare-Traffic zu exponieren.
Es gibt gute Beispiele, z.B. aus dünn besiedelten Gebieten der USA.
Dort werden Krankenstationen oder andere öffentliche Gebäude mit Antennen und ähnlicher Instalation versehen,
auf dass der lokale Funkamateur nur noch seine Station mitbringen und anschließen muss.
In der Ahrtal-Flut waren Bürger höchst aufgebracht,
weil ihnen das THW nach zwei Wochen immer noch nicht geholfen habe.
Nach der Flut in Valencia wurden Ministerpräsident und Königspaar von aufgebrachten Bürgern mit Schlamm beworfen.
Tatsache ist: Im Ernstfall kommt die Hilfe immer zu spät und es ist immer zu wenig.
Da hilft nur allgemeine Daseinsvorsorge auf vielen Gebieten!
War's das schon?
Natürlich nicht! Aber weiterer Aufwand lohnt sich nur, wenn das in enger Absprache und mit finanzieller Unterstützung
von Gemeinden, Land usw. passiert. Die erwähnte Amateurfunk-Vorbereitung von Krankenstationen ist nur ein einfaches Beispiel.
In der Nähe von München wird schon länger über ein Projekt diskutiert, bei dem ein Landkreis und seine Gemeinden
Standorte und Stromversorgung bereitstellen wollen,
auf dass die Funkamateure ein recht dichtes Netz von HAMNET-Stationen errichten können.
Die Funkamateure nutzen und warten das System, im Ernstfall hat der Landkreis ein relativ breitbandiges,
völlig unabhängiges Kommunikationssystem.
Dabei wird deutlich, dass die Funkamateure mit dem Notfallverkehr nichts mehr zu tun haben.
Sie müssen nur einzelne Leute in Rufbereitschaft halten, damit sie sich um technische Probleme kümmern können.
Weil diese Frage immer wieder gestellt wird: Ist da alles vom Amateurfunkgesetz gedeckt?
Die Frage ist in diesem Fall nebensächlich: Der Katastrophenschutzbeauftragte darf im Katastrophenfall alles beschlagnahmen,
was er glaubt brauchen zu können. Die beteiligten Funkamateure werden dienstverflichtet und tragen keine Verantwortung.
Beispielsweise die verschlüsselte Datenübertragung verantwortet der Katastrophenschutzbeauftragte.
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