Anlässlich der Amateurfunktagung München 2012
kam Joseph Hooton Taylor Jr.,
so sein offizieller Name, nach München. Bei dieser Gelegenheit durfte ich ihn erleben – insgesamt zwei Stunden lang.
In Amateurfunkkreisen ist K1JT berühmt – aber nicht deshalb, weil er 1993 den Nobelpreis für Physik bekam.
Was auf dieser Seite in Anführungszeichen steht, sind sinngemäße Zitate von ihm auf der Amateurfunktagung München
am 10. und 11. März 2012.
Was macht man eigentlich, wenn eine außerordentlich erfolgreiche Berufslaufbahn zu Ende geht? Weiter machen wie
gehabt geht nicht – einfach nichts mehr tun auch nicht. Also sucht man sich eine andere Herausforderung. Als Dean
(vielleicht als Fachbereichsleiter zu übertragen) hatte er in den letzten Berufsjahren "mehr mit zwischenmenschlichen
Problemen zu tun als mit Physik" und so erinnerte er sich an sein altes Hobby Amateurfunk. Während der Berufskarriere
machte "ich ein paar wenige QSOs im Jahr, vorzugsweise während ich meinen Bruder besuchte." Der war offensichtlich
auch lizensiert. In diesen Jahren war er auch schon mehrfach in München, "aber immer nur im Dienst der Wissenschaft,
beim Max-Planck-Institut oder so. Ich freue mich, endlich mal privat und in Sachen Amateurfunk hier zu sein."
Die Verbindung zu seiner Vergangenheit ist natürlich der Umgang mit schwachen Signalen bzw. geringsten Unterschieden: Den
Physik-Nobelpreis bekam er für Untersuchungen an einem Doppelsternsystem, dessen einer Körper ein Pulsar ist.
So fand er einen indirekten Nachweis der Vorhersage von Albert Einstein über die Existenz von Gravitationswellen:
Das Doppelsternsystem besteht aus zwei Körpern mit je 10 km Durchmesser, die 1.000.000 km voneinander entfernt sind –
"das ist etwa der Durchmesser unserer Sonne."
Pro Umdrehung des Systems, also alle sieben Stunden, wird die Bahn um 1 mm enger. Dafür war eine Messzeit von 20
Jahren nötig. "Wenn Elektronen beschleunigt werden, senden sie elektromagnetische Strahlung aus – das nutzen wir
Funkamateure in unseren Hobby. Werden Massen beschleunigt [also aus ihrer Bewegungsrichtung ausgelenkt, z.B. in eine
Kreisbahn gezwungen], strahlen sie Gravitationswellen aus. Das führt zu einem Energieverlust, der die Umlaufbahn
enger werden lässt."
Betriebsarten mit möglichst geringer effektiver Bandbreite
Von Nachrichtentechnik hatte Joe Taylor um das Jahr 2000 "noch keine wirkliche Ahnung". Also nutzte er die Bibliothek
von Princeton und eignete sich die nötige Theorie an. Ihm war klar, dass "die Frequenzgenauigkeit der um das Jahr
2000 erhältlichen Amateurfunkgeräte nicht für ein wirklich schmalbandiges System ausreichte"; schließlich dachte er an
effektive Bandbreiten von 1 Hz und das lässt sich bei einem Amateurfunkgerät kaum einstellen und schon erst recht nicht
über längere Zeit konstant halten. Er suchte deshalb nach Wegen, wie er mit digitaler Signalverarbeitung schmalbandige
Übertragungskanäle aufbauen konnte, die aber auf keine entsprechend genauen Frequenznormale angewiesen waren.
Die Grundideen von WSPR und den anderen von
K1JT entwickelten Betriebsarten beschreibt er so:
- Übertragen wird immer eine von mehreren möglichen Frequenzen.
- Jede Frequenz wird für eine relativ lange Zeit (z.B. 1 s) ausgestrahlt.
- Die einzelnen Frequenzen liegen so dicht wie möglich nebeneinander, um Bandbreite zu sparen. Das ist aber
nicht notwendig. Theoretisch könnte man die Frequenzen auch in größeren Abständen wählen, um z.B.
auch Dopplerverschiebungen durch Aurora
handhaben zu können.
- Beim Übergang von einer Frequenz zur anderen wird auf einen kontinuierlichen Phasenübergang geachtet,
um Klicks zu vermeiden. "Der Verzicht auf Amplitudenmodulation macht die Signale nachbarschafts-kompatibler.
Im Normalfall werden die Nachbarn von diesen Aussendungen nichts merken."
- Eine exakte Zeitsynchronisation macht dem Empfänger die Arbeit leichter: Er weiß beispielsweise, wann die
Gegenstation die Synchronisiersequenz sendet.
- Strikt struktuierte Nachrichten erlauben eine Reduktion der übertragenen Datenmenge. Mein Rufzeichen ist...
wird so überflüssig. Zur entsprechenden Zeit kann das nur das Rufzeichen des Senders sein.
- Die Empfängerprogramme von W1JT sind grundsätzlich für einen normalen SSB-Kanal ausgelegt. Hier werden begrenzte
Stabilität und Einstellgenauigkeit der Amateurfunkausrüstung ausgeglichen. Wichtig ist nur, dass das Auswerteprogramm
das Signal innerhalb seiner Bandbreite finden kann. Von daher kommen auch die Angaben von negativen Störabständen,
bei denen WSPR & Co arbeiten können: Diese Angaben beziehen sich auf die Bandbreite des ausgewerteten Frequenzbereichs.
Das Programm sucht aber nach ganz bestimmten Mustern im Frequenzbereich. Es hat also seine eigene Selektion und kommt
dann für das Nutzsignal natürlich auf einen positiven Signal-Störabstand.
Nach der kommerziellen Verwendbarkeit von WSPR & Co befragt meint K1JT: "Ich habe da nichts entwickelt, das den
einschlägigen Fachleuten nicht auch bekannt wäre. Ich glaube nicht an eine kommerzielle Verwendbarkeit, weil die
übertragbaren Datenmengen zu gering sind." Meiner Meinung nach gäbe es in Nischen durchaus Einsatzmöglichkeiten,
beispielsweise für Notrufsysteme. Da bräuchte man nicht mehr zu übertragen als eine Kennung des Senders, seine
GPS-Koordinaten und vielleicht eine Kennung für die benötigte Hilfe. Aber dafür gibt es heute Satellitensysteme.
Auf meine Frage, ob er von Einsätzen in der Jugendarbeit wisse, verwies er auf einen Professor in den USA, der
gelegentlich einfache 10-MHz-Empfänger für WSPR als Bausatz bei Ebay USA anböte. Als ich dem nachrecherchierte, fand ich
nur einen primitiven Direktempfänger-Bausatz für 50 US-$, der gerade in einer US-Zeitschrift erschien. Vielleicht
sollte man da selbst etwas zusammenstellen oder warten, bis Joe Taylor sein eigenes IQ-Soundkarteninterface programmiert
hat. Dafür macht er sich gerade in C++ fit. Bislang nutzte er Python und für numerische Berechnungen FORTRAN:
"Ihr müsst wissen, ich bin alter Wissenschaftler :-)"
Die Person
Wüsste man nicht, dass er 70 ist, man würde es nicht glauben. Das wurde mir erst bewusst, als er vom
Sonnenfleckenmaximum 1957/58 erzählte: "In Europa gab es noch kaum 6m-Lizenzen. Rief man Richtung Europa, so gab
es keine Antworten. Wir hörten nur unsere eigenen Backscatter-Signale." Mit großer Freundlichkeit erklärte er auch
Dinge, die man problemlos im Wikipedia-Artikel über ihn nachlesen kann.
Am Samstag war sein Vortrag der Abschluss des ersten Tagungstages. Zur Abendveranstaltung in einem der bekannten
Münchner Bierlokale wollte er kommen. Ich ging ich nicht mit, weil mir der Trubel zu groß gewesen wäre und ich auch
keine Zeit hatte, mir anschließend meine Geschmacksnerven neu kalibrieren zu lassen. Am Samstag nahm sich Joe Taylor dann aber zwei Stunden Zeit,
um in einem der Seminarräume und im vergleichsweise kleinen Kreis (maximal 20 OMs) mit den Tagungsteilnehmern zu
diskutieren.
Was für ein Hobby! Man bekommt selbst Nobelpreisträger auf dem Silbertablett serviert...
Literatur
- K1JT: Grußwort zur Ham Radio 2012
- (YouTube-Video)
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